GALERIE DER ERINNERUNG
dokumentation

EntArteOpera

 
Brundibar

2015

brundibár

EntArteOpera 2015
Projekt Wien 2015


THEMENSCHWERPUNKT Musik aus dem Ghetto-Lager Theresienstadt 1941-1945


Brundibár
Kinderoper von Hans Krása


deutsche Fassung von Matthias Harre und Frank Harders-Wuthenow

1938 schrieb Hans Krása zusammen mit dem Librettisten Adolf Hoffmeister (1902-1973) die Kinderoper "Brundibár" für einen Wettbewerb. Aufgrund der politischen Entwicklungen in der Tschechoslowakei wurde der Bewerb abgesagt, und die Oper konnte erst 1942 heimlich im jüdischen Waisenhaus in Prag uraufgeführt werden, als der Komponist bereits nach Theresienstadt verschleppt worden war. Der Leiter des Waisenhauses, Moritz Freudenfeld, kam im Juli 1943 mit dem letzten Transport seiner Kinder in Theresienstadt an. Sein Sohn Rudolf hatte im Gepäck den Klavierauszug von "Brundibár".

Krása instrumentierte die Partitur der Oper neu anhand des Klavierauszugs, wobei er auf die in Theresienstadt verfügbaren Instrumente beschränkt war: Flöte, Klarinette, Trompete, Gitarre, Akkordeon, Klavier, Schlagzeug, eine Handvoll Streicher. Außerdem strich er das für die Lebensumstände im Konzentrationslager gar zu hoffnungsfrohe "Fliegerlied" der ersten Fassung.

Der erst zwanzigjährige Rudolf Freudenfeld studierte die Oper mit einem Ensemble von Lagerkindern ein, die Uraufführung der Theresienstädter Neufassung erfolgte (auf Tschechisch) am 23. September 1943. Im Saal gab es lediglich hundert Sitzplätze, im Publikum waren aber viel mehr Menschen. Die Kinderoper ist eine politische und soziale Parabel: Hier sprechen nicht die Waffen, sondern die Musik als Mittel kollektiven Handelns gegen den bösen alten Brundibár (der für die Lagerinsassen Hitler darstellte). Vor allem das Schlusslied, "Ihr müsst auf Freundschaft bau'n, den Weg gemeinsam geh'n ... ihr seht ja, wie es war, wir schlugen Brundibár ...", war eine Botschaft der Hoffnung für die Häftlinge: Durch Solidarität siegt das Gute über das Böse. So wurde Musik zum emotionalen Fundament für den Widerstand.

"Brundibár" wurde 55-mal gespielt und war prägend für das geistige Leben in Theresienstadt. Der vierzigköpfige Kinderchor und die Solostimmen begeisterten das Publikum. Einzelne Nummern der Oper wurden zu regelrechten Schlagern. Allerdings wurde die Oper durch die Nationalsozialisten auch zu Propagandazwecken missbraucht. Waren musikalische Aktivitäten in Theresienstadt ursprünglich noch verboten, wurde 1944 - beim Besuch einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes - unter anderem auch eine Brundibár-Aufführung zum Beweis für das "normale Leben" im "Jüdischen Siedlungsgebiet" herangezogen. Nach dem Besuch wurden die ausführenden Kinder nach Auschwitz deportiert und die meisten von ihnen ermordet.

Die Kinderoper wurde erst Ende der 1970er-Jahre wiederentdeckt und gilt seither als wichtigstes Vermächtnis ihres in Auschwitz ermordeten Komponisten.

Inhalt
Aninka und Pepicek gehen auf den Markt, um für ihre kranke Mutter Milch zu holen. Da sie kein Geld haben, wollen sie es so machen wie der alte Leierkastenmann Brundibár, dem die Leute für seine Musik Münzen in den Hut werfen. Die beiden Kinder singen ihr Lieblingslied, aber niemand hört ihnen zu. Schließlich werden sie als Störenfriede vom Marktplatz verjagt. Die beiden sind ratlos: Viele Kinder müssten singen, dann könnte es gelingen. Prompt erscheinen verschiedene Tiere, die ihnen Hilfe versprechen.

Am nächsten Morgen trommeln die Tiere alle Kinder der Stadt zusammen, diese bilden einen großen Chor. Ihr Lied übertönt den Leierkasten und bald ist Pepiceks Mütze voller Geld. Da springt Brundibár hervor und versucht, mit dem Geld der Kinder davonzulaufen. Aber allein gegen alle hat er keine Chance. Die Kinder feiern ihren Sieg mit einem Chor der Freundschaft und des Zueinanderstehens.

Volkmar Putz