GALERIE DER ERINNERUNG
dokumentation

EntArteOpera

 
Ethel Smyth

2016

marsch der frauen

EntArteOpera 2016
Projekt Wien 2016


THEMENSCHWERPUNKT Verfemte und Vergessene Komponistinnen


Ausstellung
Marsch der Frauen
Ungehörige Komponistinnen zwischen Aufbruch, Bruch & Exil


ethel smyth

Ethel Smyth

Als junge Engländerin erkämpfte sie von den Eltern mit Hungerstreik ihr Studium in Deutschland. Neben Liedern und Kammermusik, wählte die mutige Komponistin die große Form, die Oper, zum Zentrum ihres Oeuvres. Durch gezieltes Netzwerken in den Kunstmetropolen Europas und bis nach Amerika, lieferte sie dank ihrer zahlreichen Mentorinnen und Mäzeninnen das Meisterstück, alle ihre sechs Opern in London, Prag, Berlin und sogar als erste Frau in der Metropolitan-Opera in New York zur Aufführung zu bringen. Damit durchbrach sie erfolgreich die männlich besetzte Domäne dieses Metiers. Als engagierte Suffragette war sie in der englischen Frauenwahlrechtsbewegung aktiv, komponierte die Hymne der Bewegung – The March of the Women – und erhob auch als Autorin zahlreicher Bücher ihre tragende Stimme.

„Eine Frau muß den Mut haben, die Wahrheit laut auszusprechen.“ Ethel Smyth
„Es ist diese ständige Zurückweisung, die Frauen mehr noch als alle gegenständlichen Hemmnisse auf ihrem Weg behindert.“ Ethel Smyth

Ethel Smyth (1858–1944) The March of the Women
Europäische Ton- Stimmen – Komponieren und Schreiben

Ethel Mary Smyth wurde am 23. April 1858 in der Blütezeit des viktorianischen England geboren. Der Vater, John-Henry war General-Major der Königlichen Artillerie, seine Frau Nina, eine geborene Struth künstlerisch ambitioniert und aristokratischer Herkunft. Zusammen mit ihren zahlreichen Geschwistern verbrachte Ethel eine naturverbundene Kindheit im grünen Umland von London. Mit 12 Jahren hörte sie erstmals eine Sonate von Ludwig van Beethoven. Dieses prägende Erlebnis verdankte sie einer Gouvernante, die in Leipzig Klavier studiert hatte. Sie begann selbst zu komponieren und wollte ebenfalls nach Leipzig. Als ihr dies der Vater verbot, erzwang sie mit Hungerstreik ihren Wunsch und siedelte mit 19 Jahren 1877 alleine in die deutsche Stadt. Von der schlechten Qualität der Lehre am Konservatorium enttäuscht, wechselte sie 1878 zu einem Privatlehrer – dem Grazer Heinrich von Herzogenberg. Im künstlerischen Umfeld seiner Frau Elisabeth erhielt sie Zutritt in die einflussreichen Kreise der Stadt.
Während ihrer vierjährigen Studienzeit komponierte Ethel vor allem Lieder und spätromantische Klavier- und Kammermusik. Elisabeths Schwager, der Philosoph und Literat Henry Brewster legte ihr die Kunstform der Oper nahe und wurde für einige Opern ihr Librettist. Sie widerstand seinem Heiratsantrag und blieb zeitlebens alleinstehend, denn ihre wahre Leidenschaft galt Frauen. Mit ihrem englischen Tweed-Kostüm, der Krawatte um den Hals, einem kleinen Hut auf dem Kopf und der Zigarette im Mund, prägte sie ihren extravaganten Stil.

Weibliche Netzwerke und Mäzeninnen

Ethel Smyth lebte für die Musik, konnte jedoch kaum von ihr leben. Sie wurde von ihrer Schwester Mary Hunter unterstützt und ab 1890 von Eugénie, der Witwe von Napoleon III. Ihre berühmte Messe in D-Dur entstand ab 1891 zum größten Teil in Gesellschaft der Ex-Kaiserin von Frankreich. Diese finanzierte die Drucklegung ihrer ersten Werke und vermittelte ihr die wichtigen Kontakte zum englischen Königshof. Die Aufführung ihrer Messe 1893 wurde ein Triumph und bestärkte sie darin, größere Werke zu komponieren. Sechs Opern sollten bis 1925 entstehen und zu ihrem Hauptwerk avancieren. 1902 wurde ihre Oper Der Wald in London aufgeführt. Damit war Ethel Smyth die erste Frau im Musiktheater von Covent Garden und im März des folgenden Jahres die erste Frau an der Metropolitan Opera in New York. Sie entwickelte sich zur wichtigen Wegbereiterin für nachfolgende Komponistinnen.

Opern und mühevolles Self-Management

1904 vollendete Smyth ihre Oper The Wreckers – Strandrecht, die als ihr erfolgreichstes Werk gilt. Smyth widmete das Werk ihren Mäzeninnen Eugénie, ihrer Schwester Mary Hunter und der Amerikanerin Mary Dodge und dankte ihnen so für ihre finanzielle Unterstützung. Ethel Smyth war über 50 Jahre, als sie 1910 in Großbritannien die erste ihrer drei Ehrendoktorwürden erhielt. Während ihres Engagements als Suffragette in den Jahren 1910 und 1912 komponierte sie 1911 The March of the Women mit einem Text von Cecily Hamilton. Er avancierte zur Hymne der Frauenwahlrechtsbewegung.
Die Lieder, Streichquartette und Szenen der Opern von Dame Ethel Smyth wurden in den Zwanzigerjahren oft unter ihrem Dirigat aufgeführt und in Rundfunkproduktionen gespielt. 1923 entstand ihre Ballett-Oper Fête Galante und 1925 ihre letzte Oper Entente Cordiale. Der aufsteigende Nationalsozialismus beraubte die Komponistin jedoch zunehmend ihrer Aufführungsmöglichkeiten in Deutschland. Sie entsprach all jenen Feindbildern, die zur Doktrin erhoben worden waren: Sie war Ausländerin, Suffragette und liebte Frauen.
Trotz zahlreicher Widerstände hatte sich Ethel Smyth als Frau Anerkennung verschafft und überschritt als Komponistin und Dirigentin die nationalen Grenzen. Durch ihre bisexuelle Orientierung spielte sie zudem mit den Geschlechterrollen. Sie entindividualisierte die Frauendiskriminierung, indem sie sie durch ihre Schriften und das Engagement in der Suffragetten-Bewegung auf eine strukturelle Ebene hob. Dennoch geriet Ethel Smyth in Vergessenheit. Erst ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte eine langsame Renaissance. Anlässlich ihres 150. Geburtstags fand 2008 ein mehrtägiges Festival in Detmold statt, 2009 wurde die Internationale Ethel Smyth-Gesellschaft gegründet.

Dr.in Lisa Fischer

Werkverzeichnis:
6 Streichquartette | 1878 – 1912
3 Cellosonaten | 1880 – 1887
Streichquintett in E | 1883
Ouvertüre zu Shakespeares Antony and Cleopatra | 1889
Serenade in D | 1889
Suite für Streicher | 1891 | nach dem Streichquintett
Messe in D | 1891 | Soli, Chor und Orchester>br /> Fantasio | 1894 | komische Oper in 2 Akten nach de Musset
Der Wald | 1901 Oper in 1 Akt
The Wreckers | 1904 | Oper in 3 Akten
Four Songs | 1907 | Stimme und Kammerensemble
On the Cliffs of Cornwall | 1908 | Orchester (aus The Wreckers)
Hey Nonny No | 1910 | Chor und Orchester
Sleepless Dreams | 1910 | Chor und Orchester
Songs of Sunrise | 1910 | Chor und Orchester
The March of the Women | 1910 | Stimme und Klavier
Four Short Chorale Preludes | 1913 | Streicher und Soloinstrumente
Three Moods of the Sea | 1913 | Stimme und Orchester
The Boatswain's Mate | 1914 | komische Oper in 1 Akt nach Jacobs
Fête galante | 1922 | Oper in 1 Akt
Entente cordiale | 1924 | komische Oper in 1 Akt
Konzert für Violine, Horn und Orchester | 1926
The Prison | 1930 | Kantate für Soli, Chor und Orchester
Fête galante | 1932 | Ballett nach der gleichnamigen Oper
Kammermusik, Klaviermusik, Orgelwerke, Klavierlieder